Erfahrung (in) geteilter Wirklichkeit.

Drei kritische Anmerkungen zum Erfahrungsbegriff in unserer Gegenwart

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.18156/eug-1-2024-art-4

Abstract

Mit Erfahrungen ist vorsichtig umzugehen – jedenfalls in politischen und wissenschaftlichen Debatten im Kontext der Krisen der Gegenwartsgesellschaft.  Die politischen und sozialen Krisen der Gegenwart werden schließlich häufig mit »Erfahrungen« von Menschen erklärt und – umgekehrt – mit politisch motivierten Behauptungen über Erfahrungen befeuert. Derlei essentialisierte Erfahrungsbegrifflichkeit und ihre politische Indienstnahme schließen den Raum des Politischen und behindern politische Deliberation. In der politischen Auseinandersetzung besteht die Gefahr, dass diskursiv konstruierte Erfahrungen unversöhnlicher Polarisierungen auf der einen Seite, Erfahrungswelten eines hyperpolitischen Individualismus auf der anderen Seite jede Form des politischen Ausgleichs und Konsenses behindern. Der Beitrag setzt sich auf drei Ebenen kritisch mit dem Erfahrungsbegriff im Kontext dieser Diskurslage auseinander. Durch Rückgriff auf wissenssoziologische Theorie wird ein überindividuell konzipierter und ent-essentialisierter Erfahrungsbegriff vorgeschlagen, der bei der kritischen Analyse der politischen Gegenwartsverhältnisse hilfreich sein soll. Mit ihm lässt sich eine Reflexion anstoßen in Zeiten, in denen Erfahrungen hypostasiert, d. h. essentialisiert werden, darin sozialtheoretisch unkritisch aufgewertet werden und in ihrer Bedeutung für das politische Geschehen der Gegenwart überschätzt werden. Ein wissenssoziologisch-konstruktivistischer Erfahrungsbegriff leistet einen Beitrag dazu, einen politischen Begriff von Erfahrung »wiederzugewinnen«.

Autor/innen-Biografie

Philipp Rhein, Universität Kassel

Philipp Rhein, Dr., (Universität Kassel), Studium der Soziologie, Kulturanthropologie und Gender Studies in München, Freiburg und Jerusalem; 2018-2022 Mitglied des Promotionskollegs »Rechtspopulistische Sozialpolitik und exkludierende Solidarität« (Universität Tübingen); seit 2023 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachgruppe für Politikwissenschaft an der Universität Kassel.

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Veröffentlicht

29.02.2024