Ungewollte Vaterschaft. Katholische Soziallehre und Soziale Marktwirtschaft
DOI:
https://doi.org/10.18156/eug-1-2010-art-8Abstract
In den 1950er und 1960er Jahren hatten in Westdeutschland die Vertreter des Sozialkatholizismus und der Katholischen Soziallehre einen relevanten Einfluss auf Weichenstellungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Trotzdem blieben sie anfangs der Sozialen Marktwirtschaft gegenüber sehr reserviert, da der Begriff in der Theorie der Wirtschaftspolitik für ein bestimmtes ordoliberales Konzept steht, das sie z.T. scharf kritisierten. Diese Frontstellung war erstens in erheb- lichen Differenzen begründet, welche die katholischen Sozialethiker zwischen dem eigenen und dem wirtschaftsliberalen Menschenbild sahen. Zweitens war die Anhänglichkeit der Katholiken an das päpstlich autorisierte Modell der Be- rufsständischen Ordnung entscheidend, das zumindest in den ersten Jahren als Alternative zum Konzept der Sozialen Marktwirtschaft begriffen wurde. Drittens schließlich divergierten die Vorstellungen der katholischen Sozialethiker über den Stellenwert des Wettbewerbs und über die Aufgaben des Staates (sowie anderer Träger der Wirtschaftspolitik) ganz erheblich von denen der Ordo- liberalen. Gerade diese Divergenzen bezüglich der Aufgaben von Wirtschafts- politik bieten interessante Anregungen für aktuelle wirtschaftsethische Debatten.During the 1950s and 1960s exponents of Catholicism and Catholic Social Ethics had relevant influence on the economic and social policy in Western Germany. Even so they were reluctant towards the «Social Market Econ- omy« (Soziale Marktwirtschaft) because in economic policy this concept was standing for an ordoliberal theory which they strictly opposed. This opposition was first of all rooted in the differences catholic social ethicists found between their own idea of man and the one of the economic liberalism. Secondly, Catholics felt bound to the concept of «vocational order» («Berufsständische Ordnung») which was authorized by the Pope and perceived as an alternative model to Social Market Economy in the first years. Finally, there were severe differences between the exponents of Catholic Social Ethics and of Ordo- liberalism about the significance of competition and the role of the state (as well as of other agents in economic policy). Especially these differences offer interesting suggestions for contemporary debates on economic policy.