Wer lebt Prekär?
DOI:
https://doi.org/10.18156/eug-1-2007-art-2Abstract
Die neuerdings populäre Gleichsetzung einer »Prekariat« genannten gesellschaft-lichen Gruppierung mit der »Unterschicht«, die teils auch als »neu« bezeichnet
wird, lässt sich als soziologische These nicht halten. Sie bezieht ihre Plausibilität
im deutschsprachigen Raum aus einer Untersuchung, die nicht auf die Beschrei-
bung sozialer Schichten, sondern politischer Milieus zielte: Das dort als »abge-
hängtes Prekariat« beschriebene Milieu ist aber nur eines von mehreren, die im
ärmsten Drittel der Gesellschaft verortet werden. Im internationalen Kontext dient
der Begriff des Prekariats vorrangig als politisches Erkennungszeichen eines Bünd-
nisses verschiedener Gruppen, unter dem sich die wachsende Zahl von Menschen
in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen soll sammeln können. Dies geht auf die
soziologische Einsicht Bourdieus und Castels zurück, dass prekäre Erwerbsverhält-
nisse zuungunsten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unterschiedlicher
Schichten auch in Europa auf dem Vormarsch sind.
The article deals with the tendency to use the term «precariat» synonymous to
«lower strata of society», that has recently grown popular in the German speaking
world. As a sociological thesis, however, this does not hold. It goes back to a study published in 2006 trying to identify political milieus rather than social strata. In the international political arena especially in the south-western European countries the concept is used by different political groups as a banner to rally workers employed on short term without social security. The use of the term is based on the sociological insight stating that precarious employment concerning all except the highest social strata is on the rise in western European contexts, too.